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Positive Psychologie und Coaching

CoachHub · 30 September 2021 · 4 min read

Positive Psychologie ist ein Feld der akademischen und anwendungsorientierten Psychologie. Sie erhielt ihren Namen explizit nicht, weil sie besser wäre als irgendeine andere Teildisziplin, sondern weil sie sich vorrangig mit positiven (im Sinne von: erstrebenswerten) Phänomenen des menschlichen, organisationalen und sozialen Erlebens auseinandersetzt.

Dabei geht es im Schwerpunkt um Fragen wie:

  • Unter welchen Umständen (und: wozu) empfinden wir positive Emotionen wie Glück oder Zufriedenheit?
  • Welche Umstände sorgen dafür, dass Menschen (intrinsisch) motiviert sind?
    Wie können wir unsere Stärken entdecken und kultivieren?
  • Welche Faktoren bewirken, dass Beziehungen gedeihen (privat wie beruflich)?
    Welche Bedingungen müssen gegeben sein, damit Menschen ihre Arbeit bzw. Leben als sinnvoll empfinden?
  • Wie kann man Menschen helfen, stimmige Ziele zu erreichen?

Viele Coaches integrieren mittlerweile Ansätze aus der Positiven Psychologie in ihre Arbeit. An diesem Punkt lässt sich fragen: Gibt es so etwas wie „Positive Psychology Coaching“ (PPC)? Kann man Coaching auf Basis von Theorien und Modellen aus der Positiven Psychologie als eigene Stilrichtung des Coachings bezeichnen – so wie es z.B. mit dem systemischen Coaching-Ansatz gehalten wird?

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Gibt es Positive Psychology Coaching (PPC)?

Gegenwärtig – darin sind sich die meisten Experten einig – wäre es wohl etwas vermessen, PPC als eigenständige Disziplin auszurufen. In der Einführung zum einflussreichen Frühwerk Positive Psychology Coaching schreiben Robert Biswas-Diener und Ben Dean (2007, S. xi):

PPC ist…

compatible with what you are already doing and need not be […] exchanged for what you already know works.

Ein Dutzend Jahre später schreibt Judith Mangelsdorf in ihrem Booklet Positive Psychologie im Coaching (2019, S. 5):

Der Ansatz des Positive Coachings stellt […] keine eigene Coachingschule dar.“ […] Es ist […] keine Alternative zu etablierten Coachingverfahren, sondern eine Ergänzung, die hilft, den Prozess freudvoller, tiefgehender und nachhaltiger zu gestalten.

Eine vorläufige Definition von Positive Psychology Coaching (PPC)

Jüngst ist eine Forschungsarbeit erschienen, die sich bemüht, auf Basis der noch spärlich vorhanden wissenschaftlichen Literatur trotzdem eine Abgrenzung zu liefern (van Zyl et al., 2020). Demnach ist PPC eine…

[…] short to medium term professional, collaborative relationship between a client and coach, aimed at the identification, utilization, optimization, and development of personal strengths and resources in order to enhance positive states, traits and behaviors. Utilizing Socratic goal setting and positive psychological evidence-based approaches to facilitate personal growth, optimal functioning, enhanced wellbeing, and the actualization of people’s potential.

Schauen wir uns das näher an:

  • PPC ist ein co-kreativer Prozess. Der Coach ist Experte für die zum Einsatz kommenden Modelle, Frameworks und Interventionen, agiert jedoch jederzeit auf Augenhöhe mit dem Klienten, der die volle Kontrolle über und Verantwortung für Anliegen und Ziele hat.
  • PPC strebt nach der Aktivierung und Entwicklung bereits im Klienten angelegter Ressourcen.

Bis hierhin wird der geschulte Blick wenig Unterschiede zu anderen Coaching-Verfahren entdecken. Diese zeigen sich, in Nuancen, in den folgenden Passagen:

  • Das Ziel von Coaching wird umschrieben als Entwicklung und Verstärkung von positiven Zuständen, Eigenschaften und Verhaltensweisen. Erst danach wird von Zielen gesprochen. Diese Reihenfolge wurde absichtsvoll gewählt. Während ein mit PPC arbeitender Coach selbstverständlich auch gemeinsam mit dem Coachee daran arbeitet, konkrete Anliegen zu bearbeiten, schwingt immer das Bestreben mit, den Klienten allgemein als Person wachsen und gedeihen zu lassen – und auch, das übergreifende Wohlbefinden zu mehren. Kritiker mögen anmerken, dass dieses Ziel auch anderen Coaching-Verfahren immanent ist. Tatsächlich lässt sich allerdings argumentieren, dass dem im PPC ein höheres relatives Gewicht zukommt.
  • Die Mehrung des Wohlbefindens ist allerdings nur partiell Selbstzweck. Wie eine hohe Anzahl von Studien nahelegt, ist subjektives Wohlbefinden eine eigene Form von Ressource, nicht bloß wünschenswertes Ergebnis. Anders gesagt: Ziele erreichen macht glücklich – aber es zeigt sich ebenso, dass Glücklichsein (i.w.S.) dabei hilft, Ziele zu erreichen (Walsh et al, 2018).
  • Auch der Begriff „evidenzbasiert“ findet sich hier alles andere als zufällig. Es gibt eine erkleckliche Anzahl von abgrenzbaren Coaching-Schulen und hunderte von Interventionen. Allerdings darf festgehalten werden, dass diese oft nicht (ausreichend) empirisch auf ihre Wirksamkeit hin geprüft wurden. PPC geht hier mit mehr Akribie zur Sache: Maßgabe ist, dass der Effekt aller Interventionen – oder zumindest jener der unterliegenden Wirkfaktoren – nach Möglichkeit in Doppelblindstudien nachgewiesen wurde.
  • Allgemein spielt Messbarkeit im PPC eine wichtige Rolle. Im Sinne einer „positiven Diagnostik“ werden validierte Instrumente bereitgestellt, mit deren Hilfe Veränderung im Denken, Fühlen und Handeln des Klienten sichtbar – und damit (besser) besprechbar gemacht werden können.
    Im letzten Satz wird nochmals das deutlich, was ich als Meta-Ziel des PPC bezeichne: Es geht weniger darum, abgegrenzte Probleme aus der Welt zu schaffen. Ziel ist es, das „optimale Funktionieren“, die Selbstaktualisierung der Person zu katalysieren.

 

Ausblick

Was bedeutet das für meine (und Ihre) Arbeit als Begleiter von Menschen? Wie vermutlich jeder Coach gehe ich ein Stück weit eklektisch vor.

Ich…

  • nutze Fragetechniken aus dem systemischen Ansatz oder dem Kurzzeit-Coaching in der Tradition von Steve de Shazer;
  • verwende regelmäßig Metaphern aus der Transaktionsanalyse, um Klienten eine bessere Idee von bestimmten „psychischen Bewegungen“ zu geben;
  • lasse mich, gerade gegen Ende von Coaching-Sitzungen, vom Provokativen Stil (ProSt) im Coaching leiten, um Klienten zu energetisieren.

All dies – und vieles mehr – lässt sich wunderbar mit den Methoden und Werkzeugen des PPC kombinieren. Keine Technik, kein System nimmt dem anderen etwas weg oder schmälert dessen Nutzen. Eher geht es um eine Form der Befruchtung, Ergänzung und Bereicherung.

Über den Autor: 

Dr. Nico Rose ist ein führender Experte für Positive Psychologie und war von 2019 – 2022 Professor für Wirtschaftspsychologie an der International School of Management. Zuvor war er Vice President im Stab des HR-Vorstands von Bertelsmann. Er beschäftigt sich im Schwerpunkt mit sinnorientierter Führung und der Gestaltung von Unternehmenskulturen. Rose hat bislang fünf Sachbücher veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für Medien wie die WirtschaftsWoche und den Harvard Business Manager. Sein neuestes Werk trägt den Titel „Management-Coaching und Positive Psychologie: Stärken stärken, sinnvoll wachsen“ und erscheint im Dezember 2021.

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